Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, stellte am 11. Dezember 2019 den „European Green Deal“ (EGD) vor. Der Grüne Deal ist die neue Wachstumsstrategie der EU, welche darauf abzielt, der Union zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu verhelfen. In dieser soll es ab 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr geben und das Wirtschaftswachstum ist von der Ressourcennutzung abgekoppelt. Zugleich wird die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU gesichert. Wenn es nach diesem bahnbrechenden, allerdings rechtlich nicht bindenden Strategiepapier geht, soll die EU daher bis 2050 die erste klimaneutrale Region der Welt werden. Bis zum Jahr 2030 sollen die CO2-Emissionen bereits um 55 Prozent reduziert werden.
Am 11. März 2020 wurde der „Circular Economy Action Plan 2.0 (COM(2020) 98 final)“ ebenfalls von der Europäischen Kommission angenommen und veröffentlicht. Der Plan soll den tiefgreifenden Wandel, den der europäische Green Deal fordert, beschleunigen und dabei an die seit 2015 umgesetzten Maßnahmen für die Kreislaufwirtschaft anknüpfen. Der Plan enthält Vorschläge für einzelne Rechtssetzungsverfahren, die darauf abzielen, einen starken und kohärenten Rahmen für die Produktpolitik zu schaffen, durch den nachhaltige Produkte, nachhaltige Dienstleistungen und nachhaltige Geschäftsmodelle zur Norm werden; auch soll er sicherstellen, dass die EU über einen gut funktionierenden Binnenmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe verfügt. Gegenwärtig gelangen nur 12 % der Sekundärrohstoffe in die Wirtschaft zurück. Konkret werden folgende Produkt- und spätere Abfallströme besonders hervorgehoben:
Elektro- und Elektronik
Batterien und Fahrzeuge
Verpackungen
Kunststoffe
Textilien
Bau- und Abbruchmaterialien
Lebensmittel
Der Umweltausschuss des Europaparlamentes (ENVI) hat einen eigenen Initiativbericht zum Circular Economy Action Plan ausgearbeitet. Der Entwurf wurde vom Berichterstatter Jan Huitema am 12. Oktober 2020 dem Ausschuss vorgelegt. Über 1.000 Abänderungsanträge wurden dazu eingebracht. Die große Zahl an Abänderungsanträgen hebt die Wichtigkeit dieses Strategiepapiers hervor. Der Umweltausschuss des Europaparlaments möchte einerseits der Kommission eine gute Unterstützung und Unterstützung für ihre Strategie geben, andererseits aber auch einen politisch ehrgeizigen Bericht abliefern.
Die Abstimmung im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments über den neuen Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft (CEAP) fand am 26. Januar statt. Der in ENVI angenommene Bericht wurde im Plenum des Europäischen Parlaments im Februar 2021 abgestimmt und mit 574:22 Stimmen (bei 95 Enthaltungen) angenommen.
Dieser Initiativbericht des Europaparlaments ist zwar rechtlich nicht verbindlich, drückt aber die politische Meinung des Parlaments zur Kreislaufwirtschaft aus und wird damit die zukünftige Wirtschaftsführung und Umweltwirtschaft maßgeblich beeinflussen.
Der angenommene Bericht zum Aktionsplan ist ein Nebeneinander von positiven und negativen Leitlinien: Die Regelungen zur „grünen öffentlichen Beschaffung“ zeigen, dass es Europa ernst ist mit einer nachhaltigen Produktpolitik.
Eine Schwachstelle aber ist und bleibt die Tatsache, dass die Deponierung von rezyklierbaren und verwertbaren Abfällen nicht verboten werden soll. Diese Beseitigungsmethode ist sowohl umwelt- als auch wirtschaftspolitisch die schlechteste Behandlungsmethode, nicht zuletzt deshalb, weil sie der Kreislaufwirtschaft wichtige Rohstoffe entzieht. Nach wie vor werden in Europa ca. 175 Mio. Tonnen Abfälle pro Jahr deponiert (ohne mineralische Abfälle); dies führt zu jährlich 140 Mio. Ton-nen an CO2-eq. Viele osteuropäische Mitgliedstaaten, aber auch westeuropäische Nationen – allen voran Frankreich – beharren auf einer weiteren Aufrechterhaltung der bloßen Deponierung von Abfällen.
Aus österreichischer Sicht geht es nun darum, diesen Europäischen Gesetzwerdungsprozess dahingehend zu überprüfen und zu beeinflussen, dass keine überschießenden Bestimmungen, die in mehr oder weniger kurzer Zeit in österreichisches Recht umgesetzt werden müssen, die Arbeit der Abfallwirtschaft in Österreich erschwert.
Die Finanzierung des nachhaltigen Wandels in der EU soll auf Basis des im Jänner 2020 vorgestellten Investitionsplans für einen europäischen Grünen Deal erfolgen. Auf dessen Grundlage sollen mindestens 1 Billion Euro an nachhaltigen Investitionen in den kommenden zehn Jahren in der EU aus-gelöst werden. Mit der Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen („Taxonomie“) wurde dafür bereits die rechtliche Grundlage geschaffen, welche am 1. Jänner 2022 bzw. 2023 EU-weit in Kraft tritt.
Damit sollen die Nachhaltigkeitsziele der EU durch besonders zu nachhaltigen Investitionen hin gelenkte Kapitalflüsse erreicht werden. Die Klassifizierung ob bzw. ab wann eine wirtschaftliche Tätigkeit als „ökologisch nachhaltig“ einzustufen ist, wird derzeit mittels weiterer Rechtsetzungsinstrumente vorbereitet. Die Kriterien zur Bestimmung dieser Einstufungsmerkmale sollen auf Unionsebene harmonisiert vorliegen. Damit soll den Finanzsektor ermöglicht werden, zukünftig zwischen mehr bzw. weniger nachhaltigen Investitionsprojekten unterscheiden zu können. Mehr nachhaltige Projekte sollen damit einen besseren bzw. erleichterten Zugang zu Finanzmitteln der EU erhalten.
Links:
Dokumente zum European Green Deal: https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de#latest
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Januar 2020 zum „Europäischen Grünen Deal“: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0005_DE.html
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu dem neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2021-0008_EN.html
Video zum „Green Deal“: https://europa.eu/!cf67Jj