Interkommunale Zusammenarbeit – eine Alternative zur Ausschreibung

Die neue EU-Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe wird Ausnahmen von der Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung vorsehen, wenn es sich um bestimmte Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors handelt. Die neue Vergaberichtlinie ist zwar erst bis 18. April 2016 von den Mitgliedstaaten umzusetzen, doch ein Erkenntnis des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 2013/04/0020) kann schon jetzt Erleichterungen bei der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden bringen. In dem dort entschiedenen Fall der Entsorgung der Siedlungsabfälle einer NÖ Gemeinde in Anlagen der Stadt Wien musste der oft mühsame Weg der öffentlichen Ausschreibung nicht beschritten werden.

Auch wenn abzuwarten ist, wie die neue Vergaberichtlinie (2014/24/EU) in Österreich umgesetzt werden wird, so hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 14. Juni 2014, 2013/04/0020, doch deutlich festgehalten, dass eine Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften vom Anwendungsbereich des Vergaberechts der Europäischen Union schon bisher – unter bestimmten Voraussetzungen – nicht erfasst ist. Der österreichische Rechtsbegriff des „öffentlichen Auftragswesens“ ist im Sinne des Unionsrechts auszulegen.

Der VwGH hat den Begriff der „Zusammenarbeit“ im zitierten Erkenntnis dahin verstanden, dass ein Leistungsaustausch zwischen Gemeinden im Bereich der Abfallbehandlung auch gegen Entgelt zulässig sein kann. Ein namhafter privater Entsorgungskonzern hatte beim NÖ Vergabesenat eine Vereinbarung zwischen der Stadt Wien und der Stadt Klosterneuburg erfolgreich beeinsprucht, dass die Stadt Klosterneuburg ihren Siedlungsabfall von der Stadt Wien in ihren Müllverbrennungsanlagen behandeln lässt. Gegen die Aufhebung dieser Vereinbarung durch den NÖ Vergabesenat haben die Städte Wien und Klosterneuburg beim Verwaltungsgerichthof Beschwerde erhoben und Recht bekommen.

Obwohl sich der VwGH zum Thema der „Entgeltlichkeit“ einer Zusammenarbeit zwischen Kommunen nicht äußerte und sowohl die „Leitentscheidung“ des EuGH zu dieser Frage (EuGH, Rs C−480/06, Stadtreinigung Hamburg) und auch die zitierte VwGH−Entscheidung Dienstleistungen im Zusammenhang mit Abfallbeseitigung zum Gegenstand hatten, sodass u.a. noch offen ist, was Gegenstand einer zulässigen Kooperation sein kann, so ist doch festzuhalten, dass es für Kommunen tatsächlich einen dritten Weg zwischen „selber erbringen“ oder „an Private ausschreiben“ gibt, nämlich mit einer anderen Kommune zusammenzuarbeiten.

Die Voraussetzungen für eine solche interkommunale Zusammenarbeit werden im Art. 12 der künftigen Vergaberichtlinie näher beschrieben. Während die Absätze 1 – 3 die „In-House-Vergabe“ erläutern, regelt Absatz 4 die interkommunale Zusammenarbeit:

  • Der Vertrag muss sich auf eine Zusammenarbeit zwischen ausschließlichen öffentlichen Auftraggebern zur Erreichung gemeinsamer Ziele beziehen
  • Die Durchführung der Zusammenarbeit muss ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt sein
  • Die beteiligten öffentlichen Auftraggeber dürfen auf dem offenen Markt maximal 20 Prozent der durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten erbringen
  • Außerdem darf (im Sinne der EuGH-Rechtsprechung) die interkommunale Kooperation zu keinem Wettbewerbsvorteil eines privaten Dienstleisters führen (vgl. EuGH, Rs C−368/11, Piepenbrock, Rz 14 und 40).

Die öffentlichen Stellen, die zusammenarbeiten wollen, müssen eine transparente gemeinsame Organisation der Aufgabe sicherstellen (gemeinsamer Lenkungsausschuss, gemeinsames Controlling). Öffentliches Interesse für beide oder mehrere Kommunen können alleine schon Überlegungen zur Steigerung der Effizienz durch Zusammenlegung von Dienstleistungsumfang und damit Ausnutzen von Skalenerträgen sein.

Vertreter der privaten Entsorgungswirtschaft wenden gegen das Erkenntnis des VwGH und die Ermöglichung dieser Ausnahme von der Ausschreibungspflicht durch das europäische Unionsrecht ein, dass „ganz (West)Europa in Richtung Wettbewerb öffentlicher Dienstleistungen denkt, Zentral- und Osteuropa (inklusive Österreich) beharren dagegen am Monopol öffentlicher Dienstleistungen bei der Daseinsvorsorge.“

Die Argumentation des Erkenntnisses des VwGH und die Notwendigkeit der Umsetzung des Art. 12 der RL 2013/04/0020 hat grundlegende Auswirkung auf alle Kommunen.
Die Verantwortlichen der öffentlichen Dienstleister werden dadurch darin unterstützt, dass nur die tatsächlichen Kosten an die Haushalte vorgeschrieben werden und nicht Wettbewerb mit Gewinnerzielungsabsicht im Interesse von Shareholdern auf den Schultern der kleinen Gebührenzahler ausgetragen wird, was tendenziell zu einer Minderung der Dienstleistungsqualität führt.
Wie weit sich die Möglichkeit nur auf Abfallbehandlungsdienstleistungen oder auch auf alle anderen öffentlichen Dienstleistungen bezieht, wird sich bei der Umsetzung der Vergaberichtlinie in österreichisches Vergaberecht zeigen.

 

Quellen:

 

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Wie ungesund ist die biologische Trocknung von Abfällen?

HotSpots – Umweltschützer ohne Grenzen haben schon im Artikel „Eine profitable und staubige (Entsorgungs-) Angelegenheit“ über die für die Umwelt nachteilige „biologische Trocknung“ von Restmüll und anderen Abfällen berichtet. Dass diese Abfälle – anstatt sie gemäß Stand der Technik thermisch zu verwerten – getrocknet und anschließend zur weiteren Behandlung verbracht werden, ist auch unter gesundheitlichen Aspekten höchst problematisch.

Die sogenannte „biologische Trocknung“ von hygienisch bedenklichen Abfällen wie Restmüll, Klärschlamm und Rechengut aus kommunaler Abwasserreinigung sowie Schlämme aus der Chemikalienrückgewinnung produziert einen feuchte- bzw. gewichtsreduzierten Rest, der nunmehr ein außerordentlich staubender Abfall ist. Dieser Rückstand wird durch die Freisetzung von Feinstaub und Bioaerosolen in der Manipulation und in der weiteren Behandlung die Gesundheit von Mitarbeitern in mechanisch-biologischen Trocknungsanlagen und nachfolgenden Abfallbehandlungsanlagen sowie eventuell auch von Anrainern dieser Anlagen gefährden.

Bioaerosole

Unter Bioaerosolen versteht man alle im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln, denen Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie deren Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z.B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften bzw. diese beinhalten oder bilden.

Vereinfacht ausgedrückt sind Bioaerosole luftgetragene Mikroorganismen. Mikroorganismen kommen überall in der Umwelt vor und viele Vertreter dieser Gruppe besitzen nützliche Eigenschaften.
Ein Teil der Mikroorganismen sind allerdings (potenzielle) Krankheitserreger, so beispielsweise Bakterien, Schimmelpilze und Viren, die in Abfällen wie Restmüll und Rechengut in erheblichem Ausmaß vorkommen.

Wirkungen von Bioaerosolen

In der Studie „Hygienefragen in der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlung“ (BE-095, Umweltbundesamt, Wien, September 1998) wird bereits im Vorwort klargestellt:
„Abfallbehandlungsanlagen müssen so betrieben werden, dass mögliche Einwirkungen auf die Umwelt minimal gehalten werden und keine Gefährdung für die in der Anlage beschäftigten Arbeitnehmer auftritt. Aus Sicht der Hygiene haben bei der mechanisch-biologischen Behandlung von Restmüll (und Klärschlamm) vor allem Bioaerosol-Emissionen, d.h. die aus dem Abfall über den Luftweg freigesetzten Keime und Partikel, einen hohen Stellenwert.“

Bioaerosole können Infektionserkrankungen, allergische Reaktionen, Asthma, Bronchitis, Reizung von Augen und anderen Schleimhäuten und weitere Erkrankungen der Atemwege hervorrufen.

In der Bewertung der Gesundheitsgefährdung anhand von Fallstudien in der Literatur wurde in der Studie des Umweltministeriums bzw. Umweltbundesamt beispielhaft festgestellt: „Malros et al. (1992) haben an Arbeitern einer dänischen Sortieranlage asthmatische Beschwerden festgestellt. Bei 8 von 15 Arbeitern, die einer starken Staubbelastung ausgesetzt waren, traten innerhalb von 5 bis 12 Monaten ein Asthma Bronchiale auf, ein weiterer Arbeiter litt an chronischer Bronchitis. Nach der Aufgabe ihrer Tätigkeit klagten sechs der genannten Arbeiter auch längere Zeit (2 Jahre) noch über Asthma bei körperlicher Belastung. Diese sechs Arbeiter und ein weiterer wurden als Berufskranke anerkannt und entschädigt.“

In einer weiteren Untersuchung traten bei 4 von 11 Arbeitern, die in einem schwedischen Müllklärschlamm-Kompostwerk im Aufgabebereich und beim Auslass der Mühle tätig waren, Übelkeit, Kopfschmerzen und Durchfall auf. In diesem Bereich wurden hohe Konzentrationen an Fäkalkeimen in der Luft festgestellt (Lundholm und Rylander, 1980).

Erforderliche Maßnahmen

In der behördlichen Bewilligung und Überwachung von mechanisch-biologischen Trocknungsanlagen wären gemäß der anzuwendenden Gesetze die möglichen gesundheitlichen Wirkungen der von diesen Anlagen emittierten Bioaerosole für Menschen zu prüfen, insbesondere die allergenen, toxischen und infektiösen Risiken bei Inhalation dieser Bioaerosole.

In Anbetracht der zunehmenden Missstände in der mechanisch-biologischen Abfalltrocknung in etlichen Bundesländern sind Messungen von Bioaerosolen und deren toxiklische Bewertungen dringend erforderlich.
Bezeichnend für Österreich ist allerdings, dass es dafür seit Jahren keine Nachfrage seitens öffentlicher Stellen gibt, obgleich diese Problematik aus Publikationen insbesondere auch des Umweltministeriums bekannt sein müsste.

Immissionsbetrachtung

Aus bislang vorliegenden umweltepidemiologischen Studien liegen Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Anwohnerinnen und Anwohner durch Bioaerosole im Umfeld solcher Anlagen vor. Eine im Vergleich zur ortsüblichen natürlichen Hintergrundbelastung erhöhte Bioaerosol-Immissionskonzentration, durch Emissionen aus einer offenen mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage, ist als eine erhebliche (potenzielle) zusätzliche Bioaerosolbelastung der Arbeitnehmer und Anrainer anzusehen.
Aus Gründen des (gesetzlich erforderlichen) vorsorgenden Umweltschutzes kann eine solche erhöhte Exposition deshalb als Gesundheitsgefährdung eingestuft werden, da bei manchen Personen nachteilige gesundheitliche Effekte (z. B. allergische Symptome) schon bei Exposition gegenüber üblichen Umweltkonzentrationen auftreten können.

Prävention

Abfälle wie Restmüll, kommunale Klärschlämme und Rechengut sind daher ohne Umwege und gesundheitsgefährdende Zwischenbehandlungen und Manipulationen in thermischen Abfallverwertungsanlagen umweltfreundlich, sicher und für die Konsumenten kostengünstig zu behandeln. Dass diese Anlagen in Österreich jedoch zunehmend über „biologische Trocknungen“ umgangen und die Abfälle über Umwege entsorgt werden, wurde von HotSpots – Umweltschützer ohne Grenzen schon im Artikel „Eine profitable und staubige (Entsorgungs-) Angelegenheit“ aufgezeigt.