POP & Heavy Metal im Görtschitztal

Die Vorgeschichte der Entstehung und der Folgen der Chemie-Altlast im Kärntner Görtschitztal wurde schon in einem Beitrag in diesem Blog „Der HCB-Skandal im Görtschitztal: Ursachen und Folgen“ behandelt. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit aktuellen Messergebnissen von POP (persistent organic pollutants) und Schwermetallen in den Böden des Görtschitztals.

Wald

Die 2016 gemessenen Belastungen der Humusauflagen der Waldböden mit dem zu den POPs zählenden Hexachlorbenzol (HCB) zeigen Werte zwischen 1,1 und 29 µg/kg Trockenmasse (TM). Internationale Vergleichsdaten für ländliche Regionen zeigen eine Hintergrundbelastung von kleiner 0,2 µg/kg bei Waldböden. Die bei den gegenständlichen Untersuchungen gemessenen Werte liegen sehr deutlich darüber. Man kann aus den Daten auch erkennen, dass die gemessenen Belastungen mit weiterer Entfernung vom Zementwerk und von der Deponie-Altlast abnehmen.

 

Auch die Messergebnisse 2016 für Schwermetalle zeigen teilweise eine deutliche Belastung der Waldböden. Sie liegen zum Teil über den Daten der Bodenzustandsinventur 1999 (1) für den Raum Kärnten. Insbesondere Blei, Cadmium und Quecksilber liegen in bestimmten Bereichen deutlich über den Mittelwerten 1999. Die Maximalwerte von Blei und Cadmium sind als sehr hoch und Quecksilber ist als hoch einzustufen. Kritische Konzentrationen an Schwermetallen, welche Störungen des Bodenlebens hervorrufen können, treten bei Chrom und Kupfer auf (2).

 

Weiden, Wiesen und Gärten

Die Belastung der Böden mit Hexachlorbenzol (HCB) ist auch im Untersuchungszeitraum (2016) sehr hoch. In Gärten, Wiesen und Weiden wurden Konzentrationen von 0,69 bis 74 µg/kg TM gemessen. Publizierte Hintergrundbelastungen an Hexachlorbenzol für unbelastete ländliche Gegenden liegen im Bereich von < 0,1 bis 0,3 µg/kg TM (3,4). Eine höhere Belastung im Bereich der Deponie der Donau Chemie in Brückl und des Zementwerks der w&p Zement in Wietersdorf, ist aus der räumlichen Verteilung klar erkennbar, wobei die höchsten Werte nahe der Altlast der Donau Chemie vorhanden sind.

 

Gesetzliche Grenzwerte für Hexachlorbenzol in Böden gibt es nicht. Die „Hollandliste“ aus dem Jahr 1994 stellt eine Liste von Grenz- und Richtwerten für Schadstoffgehalte in Böden dar, die als Entscheidungshilfe für die Einschätzung von Bodenverunreinigungen dient. Hexachlorbenzol ist darin mit einem Referenzwert von 2,5 µg/kg angeführt. Dieser häufig herangezogene Wert ist aber in der „New Dutch List“ (5) aus dem Jahr 2000 nicht mehr enthalten, woraus abgeleitet werden kann, dass der frühere Referenzwert veraltet ist.

 

Die im ersten Blogbeitrag geäußerte Vermutung, dass Landwirte von der Deponie den dort abgelagerten, aus der Acetylenproduktion stammenden Blaukalk (6) abholen durften, um damit ihre sauren Böden zu „verbessern“, ist durch die aktuellen Messungen bewiesen. Blaukalk wurde auch zum Kalken der Ställe verwendet. Ein Restbestand an Blaukalk wurde bei einem landwirtschaftlichen Betrieb gefunden und es wurden durch kontaminierten Blaukalk verursachte Konzentrationen vereinzelt auch in Bodenproben festgestellt, die nicht allein durch die Immissionsbelastung zu erklären sind.

 

Auch die Ergebnisse der Schwermetallmessungen zeigen teilweise deutliche Belastungen der Grünlandböden, wobei insbesondere die Belastung mit Arsen, Blei, Chrom, Molybdän, Nickel und in Einzelfällen auch Quecksilber sehr hohe Werte zeigen.

 

Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten

In einem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 27.10.2016 (7) wurde einer Umweltbeschwerde des Naturschutzbeirates des Landes Kärnten als Umweltanwalt im Zusammenhang mit der Altlast Brückl und des Einsatzes des kontaminierten Blaukalks bei der Zementherstellung keine Folge gegeben.

 

Unter anderem argumentierte das Landesverwaltungsgericht dahin, dass aufgrund der Ausführungen des Amtssachverständigen festgestellt werde, dass in Kärnten und damit auch im Bereich des Görtschitztales eine Grundbelastung an HCB aufgrund des früheren Einsatzes von HCB als Pflanzenschutzmittel vorhanden sei. Eine „erhöhte Belastung durch HCB, zurückzuführen auf das Ereignis im Herbst 2014“ [Einsatz des aus der Deponie Brückl stammenden Materials im Zementwerk] habe nicht nachgewiesen werden können: „Die Messwerte mit 31.08.2016 sind ident mit Aufzeichnungen aus dem Jahr 1999 (Bodenzustandsinventur Kärnten) sowie mit Proben, welche in der Steiermark in den Jahren 2005 und 2006 gezogen wurden. Eine Veränderung der HCB-Konzentration im untersuchten Boden, ausgelöst durch das Ereignis im Jahre 2014, konnte sohin nicht erkannt werden.“

 

Diesen Feststellungen dürften bezüglich der Belastung bzw. Vorbelastung der Böden unzutreffende Darstellungen des beigezogenen Sachverständigen zugrunde liegen. Die Grundbelastung des Bodens mit HCB wird im Erkenntnis mit einem durchschnittlichen Wert von 2 µg/kg angegeben. Publikationen zu Hintergrundbelastungen an Hexachlorbenzol gehen hingegen für unbelastete ländliche Gegenden von < 0,1 bis 0,3 µg/kg aus (siehe oben). Ausgehend von der von verschiedenen Fachleuten mit einigen hundert bis einigen tausend Kilogramm HCB (8,9) abgeschätzten Emissionsfracht ist diese Entscheidungsgrundlage des Landesverwaltungsgerichtes schwer nachvollziehbar.

 

Schlussfolgerung

Die hier dargestellten Untersuchungsergebnisse führen zur Forderung, dass alle Betriebe in der Region künftig nur unter Einhaltung der besten verfügbaren Technik zur Emissionsminderung weiterbetrieben werden dürfen.

 

  1. Amt der Kärntner Landesregierung 1999: Bodenzustandsinventur Kärnten 1999
  2. Blum W.E.H., Klaghofer E., Kochl A., Ruckenbauer P. 1997: Bodenschutz in Österreich. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft.
  3. Freudenschuß A., Obersteiner E. und Uhl M. 2008: Organische Schadstoffe in Grünlandböden. Umweltbundesamt, Report, REP-0158, Wien.
  4. Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz, LABO 2003: Hintergrundwerte für anorganische und organische Stoffe in Böden.
  5. Dutch Target and Intervention Values, 2000 (the New Dutch List).
  6. Blaukalk entsteht bei der Herstellung von Acetylen aus Calciumcarbid nach der folgenden Gleichung: CaC2 + 2 H2O = C2H2 (Acetylen) + Ca(OH) 2 (Blaukalk unbelastet). Das Acetylen verwendet man bei der Herstellung von chlorierten Lösemitteln, wobei als Nebenprodukte u.a. die toxischen Problemstoffe HCB und Hexachlorbutadien anfallen.
  7. Landesverwaltungsgericht Kärnten: Erkenntnis, Zahl: KLVwG-691/6/2016
  8. Raupenstrauch H. 2015: Befund und Gutachten. Ermittlungsverfahren gegen Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke GmbH
  9. Umweltbundesamt 2016: Emissionen Zementwerk Wietersdorf zur Einhaltung von Belastungsgrenzen